Neue Ausstellung: Anne-Mie van Kerckhoven - What would I do in orbit?



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published on 10 Nov 2016 in Newsroom-mg

Das Einwirken von Medialisierung, Digitalisierung, Technologie, Wissenschaft, den Vorstellungswelten von künstlicher Intelligenz auf unser heutiges Ego ist sehr früh von der belgischen Künstlerin, Performerin und Musikerin Anne-Mie Van Kerckhoven thematisiert worden. Rund 40 Jahre umfasst inzwischen ihr multimediales Werk, in dem Selbstbetrachtung, komplexe interdisziplinäre Theorien, alte Mystik und neue Forschungsfelder zusammenkommen. Ausstellungseröffnung 13. November, 12 Uhr im Museum Abteiberg.  

„Eigentlich wollte ich die Frau eines Künstlers werden. Jemand anderes inspirieren ok, aber selber Karriere machen in diesem Bereich, daran habe ich eigentlich nie gedacht“, sagt die 1951 geborene, belgische Künstlerin Anne-Mie Van Kerckhoven. Doch gut, dass es anders gekommen ist und so ist ab Sonntag, 13. November eine Retrospektive der Künstlerin im Museum Abteiberg zu sehen. Die Auseinandersetzung damit, dass eine Frau noch in den 60er und 70er  Jahre eigentlich bestimmte Rollenbilder und ganz andere gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllten hatte, auch das findet Ausdruck in ihren Werken. Doch auch darüber hinaus beschäftigt sich die Künstlerin mit Strukturen. Da gibt es zum einen Strukturen, die die Natur vorgibt, gegen die kein Ankommen ist, dann sind es Strukturen, die natürlich erscheinen, aber letztlich doch durch den Menschen übernommen und festgezurrt sind, gesellschaftliche Strukturen, an denen man sich reiben kann, die aber auch eine Orientierung im Zusammenleben bieten, dann gibt es wissenschaftliche Strukturen und natürlich ästhetische sowie eigene künstlerische. Bei der Betrachtung der Werke von Anne-Mie van Kerckhoven bekommt man das Gefühl, dass Strukturen hilfreich sein können, aber auch Hindernisse darstellen. Sie setzt Strukturen ein, wie die eines Textes und geht doch frei damit um.

Die in Antwerpen lebende Künstlerin studierte in den 1970er Jahren Grafikdesign und beschäftigte sich parallel mit philosophischen und naturwissenschaftlichen Theorien. Sie arbeitete dabei zunächst im Medium der Zeichnung – dem Medium, das sie damals mit dem Vorteil der leichten Kommunikationsfähigkeit und Multiplizierbarkeit/Verbreitung verband – und erweiterte es im Laufe der Jahre hin zu einem Instrument für multimediale, räumliche und filmische Darstellungen von Gedanken, Emotionen, Innenwelten. In den frühen 1980er Jahren begann eine intensive Zusammenarbeit mit dem Neurowissenschaftler Luc Steels und dessen Institute for Artificial Intelligence (Brüssel, heute Paris), wodurch Bildsprachen bestimmend wurden, die durch wissenschaftliche Bildverfahren geprägt sind: Diagramm, zeichnerische Animation, Text-Bild-Schema. Der historische Beginn dieses künstlerischen Werks liegt in der Gegenkultur von Punk, Feminismus und einem generationstypischem Anti-Akademismus, der einerseits Pop- und Trash-Ästhetik, andererseits eine hochkomplexe Inhaltlichkeit und neue gedanklich-künstlerische Strukturen hervorbrachte: „Zu dieser Zeit las ich gleichzeitig de Sade und Wittgenstein in Kombination mit Wissenschaftsmagazinen. Die Erklärung meiner Arbeit wurde zu einer zweiten Version meiner Arbeit. Und mein eigenes Gehirn wurde zum Gegenstand meiner Kunst. Die Impulse, die mich dazu brachten, Dinge zu tun, rückten ins Zentrum meines Interesses. Einfluss, Bestimmung, Schicksal, das Soziale, die Moral – alles, was das Handeln der Leute antreibt, wurde zu meiner Inspiration. Als Gegengewicht zu den Bildern begann ich damit, Bilder aus den Massenmedien zu verwenden. Ich sammelte jedes Magazin, das ich mir leisten konnte, und nutzte die ganze ‚Oberflächlichkeit’ dazu, um unter der Oberfläche nach Strukturen, Sparten und Systemen zu suchen.“

(aus: Anne-Mie Van Kerckhoven, Das Abstrakte ist keine sexuelle Stimulanz, 1995)

Neben dieser Auseinandersetzung fließt auch immer wieder sehr Persönliches in die Werke mit ein: „Aber mir ist es wichtig, dass man meine Geschichte zum jeweiligen Werk nicht zwingend kennen muss. Es kann für sich stehen.“

Und trotzdem sollte man sie sich nicht entgehen und sich in den Strudel ihrer Gedankengänge, ihres Wissens,ihrer Emotionen und situativen Ausbrüche mit einziehen lassen. So wird sie selber mit eingeladenen Gästen neben der Eröffnung am 13. November, auch an weiteren Veranstaltungen im Rahmen ihrer Werk-Retrospektive dabei sein.

Anne-Mie van Kerckhoven realisiert im Museum Abteiberg eine Ausstellung mit eignen Wänden und Bildhängestrukturen, die in zwölf Kapiteln bzw. Clustern Produkte aus allen Werkphasen zeigt, ganz neue mit frühesten Arbeiten verbindet, dabei Malerei, Zeichnung, Collage Materialien wie Plastik, Folien, fluoreszierende Farben, Kopiertechnik und Computeranimation zusammenbringt und jeweils eine filmische Animation ins Zentrum setzt. Der räumliche Aufbau wird zu einer Installation des inneren Denkens.

Eine Übersicht zu allen Veranstaltungen und weitere Informationen gibt es unter: www.museum-abteiberg.de

Die Ausstellung, die im Museum Abteiberg bis zum 26. Februar zu sehen sein wird,  wird realisiert in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Hannover (18. März – 14. Mai 2017) und dem M HKA Antwerpen (Frühjahr 2018). Sie wurde ermöglicht durch eine großzügige Unterstützung des Ministeriums für Kultur, Jugend, Sport und Medien in Flandern, der Kunststiftung NRW und der Hans Fries-Stiftung.




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