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Neuer Aachener Kunstverein
until 11 july 2004
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How Reliable is the Brain?


Unter dem Titel "How Reliable is the Brain" stellt sich im NAK ein künstlerisches Werk dar, dessen inhaltliche und mediale Bedeutung in Deutschland bisher kaum bekannt war. Anne-Mie van Kerckhoven (*1951), Absolventin im Fachbereich Graphik Design der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Antwerpen, seit einigen Jahren Dozentin an der Königlichen Kunstakademie in Gent und an der Rijksakademie in Amsterdam, arbeitet seit 1975 parallel in den Bereichen Zeichnung, Installation, Film, Video und digitale Animation. Ihr Werk steht für eine frühzeitige und inzwischen langjährig vollzogene Multimedialität in der Gegenwartskunst, welche anknüpfend an die Präsentation von Valie Export im NAK (Valie Export: Psycho-Prognose, 1998) als Manifest einer nachfolgenden Generation gelten kann.

Das Werk von Anne-Mie van Kerckhoven erschlieβt sich in einer Auseinandersetzung, die im Titel der Ausstellung "How Reliable is the Brain?", deutsch: Wie verlässlich ist das Gehirn? eine signalhafte Frage erhält. Seit Beginn ihrer künstlerischen Arbeit bilden wissenschaftliche Theorien den Hintergrund, die sie um 1980 in Zusammenarbeit mit dem Labor für künstliche Intelligenz in Brüssel und dem dortigen Informatiker Luc Steels kennen lernte. Anders als viele Kolleginnen und Kollegen der heute jungen Generation arbeitete Anne-Mie van Kerckhoven nicht mit äuβeren, der Fotografie oder dem Film entlehnten Mitteln der Visualisierung, sondern mit einer synthetischen Formfindung, die ihren Anfang stets im subjektiven, von Konturen, Kompositionen und Farben bestimmten Medium der Zeichnung findet.
Alte und neue Medien der Kunst sind in diesem Werk in einem Prozess der Verschleifung zu erfahren. Und auch manipulative Bildbearbeitungen, die beispielweise in van Kerckhovens filmischen Animationen erscheinen, werden hier stets als Nachfolger von zeichnerischem Arbeiten bewusst.

Die künstlerische Auseinandersetzung von Anne-Mie van Kerckhoven ist geprägt von einem sensiblen Bewusstsein für die mentale Befindlichkeit von Menschen in den Spät- bzw. Postzeiten der Moderne. Die kulturelle Situation der siebziger und achtziger Jahre ist ein wichtiges Moment dieses künstlerischen Werks, seiner multimedialen, psychologisch begründeten und interdisziplinär manifestierten Ausrichtung. Es zielt auf Grenzbereiche des individuellen, weiblichen und männlichen Alleingestelltseins, auf Momente von Kompensation und Überwindung, mithin auf 'Gratwanderungen' menschlicher Existenz.

Die Twodo Collection am NAK erwirbt eine Werkgruppe der Künstlerin, um einen signifikanten Bestand ihres bisher kaum öffentlich sichtbaren Werks zu sichern. Diese Erwerbung geschieht zu einem Zeitpunkt, den Anne-Mie van Kerckhoven als den Beginn ihrer Präsentation bezeichnet: Weit greifende Werkkomplexe sind jetzt zu einem Konvolut angewachsen, welches einen ebenso weit greifenden Ansatz nach nunmehr 29 Jahren künstlerischer Praxis allseits vermittelbar macht.

Das Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung spiegelt die Bezugspunkte im Werk von Anne-Mie van Kerckhoven wider, teils in biografischen Kontexten, teils in Interessen der Rezeption. Luc Steels, ein von Beginn an wichtiger Gesprächs- und Projektpartner für Anne-Mie van Kerckhoven, inzwischen Direktor des Sony Science Laboratory for Artificial Intelligence in Paris, ist eingeladen. Ebenso kommen Sammler der Twodo Collection zu Wort, die aus ihrem beruflichen Hintergrund als Psychologen, Ärzte oder Wissenschaftler auf das Werk der Künstlerin reagieren. Höhepunkt ist das am 10. Juli stattfindende Live-Konzert von 'Club Moral', einer von Anne-Mie van Kerckhoven mitbegründeten Noise-Band. Diese ist nicht nur markant für die künstlerische Biografie sondern auch bedeutend in der belgischen Noise-, Punk- und New Wave-Szene.




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